Mein erster Geburtstag
Am letzten Samstag war seit meinem Herzinfarkt ein Jahr vergangen.
Das wenige was ich von dem bewussten Freitag vor einem Jahr noch weiß werde ich nie vergessen – den Anfang habe ich noch abspeichern können: Die Freisprechung unseres Sohnes, das Einladen von seinem Gepäck in das Auto, unsere Enkeltochter die mit mir während des Festaktes schäkerte, der Beginn der Rückfahrt. Ab dem Moment nur noch Bruchstücke, kurze Szenen – Parkplatz suchen, Wechsel auf den Beifahrersitz, später eine Rauchpause an der B191, Teile von Dialogen mit meiner Frau, der braune Kunststoffbezug des Rollstuhls im Dannenberger Krankenhaus. Filmriss.
Aufwachen. Zuerst ist alles viel zu hell. Viel Technik um mich herum, links viele Monitore, rechts grüne Infusionsautomaten. Massenweise Nadeln, Schläuche und Kabel am Körper. Schmerzen in der Brust beim atmen, ein drückender Verband in der rechten Leiste. Ein Pfleger der mich wäscht und mir guten Morgen wünscht. Merkwürdiges rotes Zeug im Mund. Wie spät ist es überhaupt?
Irgendwann tauchte ein Arzt auf und erklärte mir daß Samstag Abend sei und daß ich einen Hinterwandinfarkt gehabt hätte. Er hätte mir die betroffene Herzarterie geweitet und einen Stent eingesetzt. Ich hätte unheimlich viel Glück gehabt daß meine Frau mich ins Krankenhaus gebracht hätte und daß ich deswegen sofort versorgt werden konnte. Und daß dies hier die Intensivstation vom HGZ in Bad Bevensen ist, die Schmerzen in der Brust kämen wohl von den angeknacksten oder gebrochenen Rippen weil man mich in Dannenberg mit Herz-Lungen-Wiederbelebung und Defibrillator wieder zurückgeholt hätte. Daher auch die Brandblasen auf der Brust, kommt von den Elektroden des Defis. Das Zeug im Mund ist Blut – weil es noch extrem verdünnt ist tritt es im Mund aus und gerinnt dort. Ist bald vorbei. Aha. Weiß meine Frau Bescheid?? Und wo kann man hier telefonieren???
Zum Glück wurde ich bald von der akuten Intensivstation in die wohnlichere ‘beobachtete’ Intensivstation verlegt, dort wurde zwar auch jeder Schritt überwacht, wegen drahtloser EKG-Verkabelung mußte man in der Station verbleiben aber es gab normale Zimmer mit normalen Betten und man kam sich nicht so hilflos vor. Tagelanges warten auf die Genesung. Wann kann ich hier weg?
Nach einer Woche zurück ins HGZ zur dreiwöchigen Reha: Ist ja ein richtiger Kurbetrieb hier, fehlt ja nur noch daß man bei den Kurkonzerten usw. mitmachen muß. Mußte man nicht – ich hatte ein schönes Zimmer, schönes Wetter während der drei Wochen, nette Mitpatienten, viel Ruhe, viel Zeit zum Nachdenken. Viel über richtige Ernährung und über richtige Bewegung gelernt, mit jedem Tag konnte man fühlen wie man fitter wurde. Deswegen haben die Anwendungen alle Spaß gemacht, selbst das von mir vorher verspottete Nordic-Walking. Ob ich zuhause auch mit den Stöcken rumlaufen sollte?
So habe ich den Infarkt erlebt. Seit dem hab ich jeden Tag genossen.