Besuch im Bergwerk Schacht Konrad
Seit über fünfzehn Jahren wird das ehemalige Eisenerz-Bergwerk Schacht Konrad zu einem Endlager für schwach- und mittelradioaktiven Atommüll umgebaut. Besichtigungsgelegenheiten gibt es eher selten, aber unser Sohn Markus ist hier unter Tage als Bergmann inzwischen in leitender Funktion beschäftigt und hatte nun die Gelegenheit uns einmal einzuladen. Durch Gespräche mit ihm und Handyfotos von ihm nahm ich an, schon einen halbwegs korrekten Eindruck von der Situation dort unter Tage zu haben. Aber weit gefehlt, es ist alles anders als man es sich als außenstehender Laie vorstellt…
Nach einer Sicherheitsunterweisung ging es per internem “Taxi” vom Verwaltungsgebäude zum eigentlichen Schacht Konrad 2, in den wir dann einfuhren. Erste Erkenntnis: Dimensionen können täuschen – der Schacht selbst hat zwar einen großen Durchmesser (geschätzt 8 Meter), aber der eigentliche Transportkorb mit dem Mensch und Material in die Tiefe befördert werden hat nur einen Meter Durchmesser, aber dafür immerhin zwei Etagen. Dementsprechend eng wird es wenn sich drei gut genährte Personen in diesen senkrechten Torpedo zwängen. Da der Schacht als Abwetterkanal (Wetter = bergmännisch für Luft) für die Abwärme und die Abgase der Maschinen genutzt wird, wird man während der ca. 15 minütigen Fahrt durch die Abwetter nach unten immerhin nicht frieren, man muß aber seinen Helm festhalten damit der bei rund 100km/h schnellen Wettern (=Luft) nicht vom Kopf fliegt. Unten auf rund 850 Meter angekommen wird diese erste Erkenntnis noch einmal bestätigt, man kommt sich vor als wäre man in einer Tunnelbaustelle, so riesig sind die Dimensionen der dort unten geschaffenen Hohlräume.
Gleichzeitig wird einem eine zweite Erkenntnis bewusst: Es wird ein riesiger Aufwand betrieben, um dort unten überhaupt arbeiten zu können – jeder Gegenstand ist durch den relativ engen Transportweg nach unten gekommen, sei es eine kleine Schraube oder ein riesiger Radlader. Alle Großwerkzeuge, Maschinen und Fahrzeuge wurden dafür über Tage in Teile zerlegt die durch den Schacht nach unten passen, und unter Tage wurden sie dann wieder zusammengesetzt. Zu diesem Riesenaufwand gehört auch daß zwischen den einzelnen Sohlen (Etagen) Tunnel in Wendel- oder Serpentinenform in den Fels geschlagen wurden, einen anderen Weg für voluminöses Material, die Maschinen und Fahrzeuge gibt es zwischen den Sohlen ja nicht. Auch die Bewetterung (Belüftung) in dem gesamten Bergwerk ist aufwändig: Im Schacht 1 wird Frischwetter (Frischluft) durch den sog. Hauptgrubenlüfter nach unten gedrückt, über Schacht 2 entweichen die schlechten Wettern (Abluft) wie oben beschrieben wieder. Damit sich die Wettern (=Luft) im gesamten Bergwerk wie gewünscht bewegt gibt es in den einzelnen Abschnitten große Wetterschleusen im zu den eingesetzten Maschinen passenden Format. Dies macht auch den internen Verkehr mit Fahrzeugen und Maschinen sehr zeitaufwändig. Apropos Verkehr: Im Gegensatz zu der ganzen eingesetzten Technik wird die Seilfahrt, also das senkrechte Bewegen des Transportkorbes im Schacht, immer noch mit traditionellen Signalen (Gruppen von Glockenschlägen) signalisiert, auch wenn sie heute durch Tastendruck ausgelöst werden.
Dritte Erkenntnis: In der Tiefe gibts keinen GPS-Empfang – als Besucher verliert man schon durch den sich drehenden Transportkorb noch auf dem Weg nach unten die Orientierung bezüglich der Himmelsrichtungen. Und unten angekommen geht die Orientierungslosigkeit noch weiter da die Sohlen (Etagen) zueinander Gefälle haben, nach kurzer Zeit weiß man als Besucher nicht einmal mehr auf welcher Sohle man sich befindet. Wir wurden aber von ortskundigen Leuten in einem Dodge RAM Pickup, dem statt seiner Ladefläche einige Sitzreihen montiert wurden durch das Gewirr von Sohlen, Serpentinen und Schleusen gefahren. Markus mir erklärte im Nachhinein beim gegenlesen dieses Beitrags daß wir auf Sohle 2 abgestiegen sind, über Sohle 3 bis zur untersten Sohle 4 gefahren wurden, von dort ging es über die Sohle 1 wieder zurück zur Sohle 2…
Vierte Erkenntnis, für mich am beeindruckendsten: Zeit spielt nur eine untergeordnete Rolle. Als wir dort waren sahen wir relativ wenig arbeitendes Personal, man fragt sich sofort wie so wenig Leute eine so gewaltige Anlage bauen konnten. Es wird dort zwar rund um die Uhr gearbeitet, kommt aber (in meinen laienhaften Augen) nur sehr langsam vorwärts weil viele Vorgänge sehr viel Zeit kosten. Die Gründe sind lange Wege, nötige Wartezeiten auf Genehmigungen, Material und Werkzeuge oder schlicht das warten auf den Gegenverkehr. Ein völliger Gegensatz zu der über Tage üblichen hektischen Arbeitsweise in dem Aufgaben minutengenau durchgetaktet werden – dort unten denkt man offenbar eher in Tagen oder Wochen.
Mein persönliches Fazit: Höchst interessant, völlig anders als erwartet. Wenn man dort unten war kann man verstehen warum Bergleute ein anderer Schlag Menschen sind – den Beruf ergreift man wohl nur wenn man sich im wahrsten Sinne berufen fühlt. Btw: Die bergmännische Sprache ist mir nur rudimentär geläufig, bitte entsprechende Fehler im Beitrag ignorieren…