Wenn einem die Nerven auf die Nerven gehen, Fortsetzung…

Fortsetzung von diesem Beitrag.
Seit meinem letzten Update des ersten Beitrags sind nun mehr als drei Monate vergangen. Die IVIG-Therapie im Krankenhaus Perleberg verlief nicht so weiter wie ich es mir vorstellte: Ich bekam dort keinerlei Erklärungen wie der weitere Verlauf aussehen soll, die Privigen-Dosis wurde ohne Erklärung verändert und anstatt ausführlicher Arztbriefe über die Therapie bekam ich bei den Entlassungen formlose Kurzmitteilungen. Insgesamt fühlte ich mich dort auf der Neurologie nicht mehr wohl. Außerdem wurde ich wegen dem Auf und Ab zwischen den IVIG-Therapien immer unzufriedener, direkt nach der Infusion spürte ich für einige Tage einen regelrechten Kick während dem ich mich absolut problemlos bewegen konnte. Dieser Kick verwandelte sich in den folgenden Tagen relativ schnell in eine “normales Gefühl” welches dann dann in den folgenden Wochen, von Tag zu Tag stärker werdend, bis zur nächsten IVIG-Therapie wieder von Dauerschmerzen, einschießenden Schmerzen und steifen Fußgelenken überdeckt wurde. Diese gesundheitliche Zukunftsaussicht war für mich schlicht frustrierend.

Die Injektionspumpe mit den beiden Subkutannadeln.

In dieser Phase intensivierte sich unser Kontakt mit der Selbsthilfegruppe “Deutsche GBS CIDP Selbsthilfe e.V” und mit dem Hersteller von Privigen (bisheriges Präparat) und Hizentra (mein “Wunschpräparat”), der Firma CSL Behring. Dort gibt es medizinische Fachkräfte die in dem Service “CSL Behring CARE” die Patienten beim Umstieg auf die Heimselbsttherapie mit Hizentra begleiten und nach dem Umstieg weiter unterstützen. Dabei setzt man sich selbst eine subkutane Infusion, bei der einem von einer kleinen Pumpe in relativ kurzer Zeit eine kleine Menge Antikörper ins Bauchfettgewebe injiziert wird. Das Ganze wird dann in relativ kurzen Abständen wiederholt, wodurch sich statt dem Auf und Ab ein verstetigter Antikörperpegel einstellt. Der Kick fällt zwar weg, aber auch der Abschwung in das Tal mit Schmerzen usw. wird einem erspart – und außerdem muß man nicht alle paar Wochen zu einem Termin ins Krankenhaus wo man dann einige Tage stundenlang an der Nadel hängt.
Eine Einstiegshürde muß man als Betroffener aber selbst überwinden: Man muß eine medizinische Einrichtung (Praxis, Ambulanz, neurologische Krankenhausstation) finden die sich möglichst mit CIDP auskennt und bereit ist einen beim Umstieg von Privigen auf Hizentra zu unterstützen – Aufgrund wettbewerbsrechtlicher Beschränkungen dürfen das nämlich der Selbsthilfeverein und die Hersteller nicht tun da ihnen medizinische Werbung z.B. für bestimmte Ärzte verboten ist (wenn ich das richtig verstanden habe…). Dabei muß bei Kassenpartienten auch beachtet werden daß die Präparate sehr teuer sind und das Budget eines Arztes auf unbestimmte Zeit erheblich belasten werden, in meinem Fall (Privatpatient) spielte das glücklicherweise keine Rolle. Letztendlich bekamen wir den Tip, einmal bei der ASV-Ambulanz für neuromuskuläre Erkrankungen im städtischen Krankenhaus Lüneburg vorstellig zu werden. Der telefonische Kontakt mit einem der Oberärzte verlief sehr angenehm, CIDP war bekannt und der Arzt hat auch eine auf Hizentra umgestellte Patientin dabei begleitet, er würde mich vorbehaltlich medizinischer Hindernisse gerne auf Hizentra umstellen. Ab diesem Zeitpunkt wurde es in der Vorweihnachtszeit fast schon hektisch, aufgrund der zu geringen Dosis in Perleberg mußte ich mir in Lüneburg noch einmal ambulant Privigen abholen, mußte mit meinen Krankenkassen abklären ob sie die Kosten der Heimselbsttherapie überhaupt übernehmen und klären, wie dann die zukünftige Direktabrechnung der Medikamente zwischen unserer Gartower Apotheke und den Kassen ablaufen würde. Gleichzeitig kämpfte ich gegen starke Entzugserscheinungen da ich das Nervenschmerzmittel Pregabalin ausgeschlichen hatte. Bis Anfang Januar 2024 hatten wir dann alles in Sack und Tüten, am 11.1. bekam ich noch einmal Privigen um den “Antikörper-Grundpegel” einzustellen, und am 17.1. wurde mir in Lüneburg unter Aufsicht der sehr netten Chefärztin (Privatpatient…) von Mitarbeitern der Firmen Behring und OMT (Hersteller der Infusionspumpe) beigebracht wie ich mir die subkutane Infusion selbst lege.

Das medizinische Material was man für die Heimselbsttherapie braucht. Bekommt man bei der Einweisung alles im Paket geliefert, auch Nachschub kommt per Post.

Bei der zweiten Infusion zuhause wurde ich noch einmal von CSL Behring CARE medizinisch begleitet, seit dem verpasse ich mir jeden Mittwoch und Samstag meine 50ml Hizentra selbst. Bisher absolut problemlos, direkte Nebenwirkungen von dem Hizentra empfinde ich keine, das für mich bemerkbare Auf und Ab des Antikörperpegels ist nun weg. Was die Symptome der Polyneuropathie angeht, geht es mir nun relativ gut, denn die extremen Einschränkungen wie starke einschießende Schmerzen, Lähmungen usw. treten zumindestens bis jetzt (fast) nicht mehr auf. Mit der tauben Gefühllosigkeit und gelegentlichen Schmerzen in den Füßen werde ich wohl auf Dauer leben müssen.
Allerdings habe ich weiterhin psychische Begleiterscheinungen wie verschieden stark ausgeprägte Konzentrationsschwächen, Lustlosigkeiten, Müdigkeitsanfälle und Wesensveränderungen. Das dagegen verschriebene Antidepressivum habe ich wegen starken Juckbeschwerden an Beinen und Armen nach ärztlicher Rücksprache abgesetzt, da habe ich mit meinen Neurologen und/oder Hausarzt noch eine Baustelle…

Wichtiger Hinweis, bitte beachten: Ich beschreibe hier meine eigenen, subjektiven Erfahrungen im Umgang mit CIDP bzw. Polyneuropathie und im Umgang mit den erwähnten Firmen, Vereinen, Ärzten und medizinischen Einrichtungen. Ich habe in den letzten Monaten erfahren wie wenig über CIDP und seine Behandlungsmöglichkeiten bekannt ist und wie verschieden therapiert wird. Dieser Bericht soll andere Betroffene bei ihrem Umgang mit CIDP, Polyneuropathie oder ähnlichen Krankheiten unterstützen und anregen selbst aktiv zu werden, er soll aber keine medizinische Beratung sein!

Wird fortgesetzt…

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