Wenn einem die Nerven auf die Nerven gehen… Update 23.10.2023
Mein Körper bleibt weiterhin ein Idiot, er hat sich nun noch was Neues ausgedacht: Zu meinen Herzproblemen und dem mutmaßlich überstandenem Hautkrebs (hier unter dem Schlagwort Gesundheit nachzulesen) wurde bei mir nun auch noch eine Nervenkrankheit diagnostiziert: Polyneuropathie, in meinem Fall die Variante CIDP (Chronisch inflammatorisch demyelinisierende Polyneuropathie). Um auch selbst den Überblick über den Verlauf der Diagnose und der Therapie behalten zu können schreibe ich hier die bisherige Entwicklung einmal auf. Falls nötig werde ich entweder hier Updates anhängen oder eigene Beträge zu dem Thema schreiben.
CIDP äußert sich bei mir in der Form, daß ich in beiden Füßen nur noch sehr wenig spüre, was dazu führt daß ich z.B. auf Kopfsteinpflaster schnell stolpere und allgemein inzwischen einen tapsenden Gang entwickelt habe weil eben die sensorischen (“fühlenden”) Nerven in den Füßen ihre Arbeit weitgehend eingestellt haben. Inzwischen dehnt sich die mangelnde Sensorik auch auf Ring- und Kleinen Finger beider Hände aus. Damit einher gehen leichte, dauernde Schmerzen in den Extremitäten, Taubheit und Temperaturunempfindlichkeit in den Füßen, “Phantomgefühle” (z.B. ein heiß werdendes Portemonnaie, obwohl man gar keins in der Tasche hat) und Kribbeln/Brennen als wenn einem die Füße/Hände/Finger eingeschlafen sind. Besonders fies sind unversehens einschießende starke Schmerzen, vergleichbar z.B. mit den Schmerzen als wenn man sich einen Nagel durch die Schuhsohle in den Fuß getrieben hat. Oder als wenn ein herunter gefallenes Küchenmesser mit der Spitze nach unten im Fuß gelandet ist. Dauerhaft ist ein Kompressionsgefühl an den Füßen, als wenn ich viel zu enge Schuhe oder zu kleine Socken trage. Das alles in den Bereichen die sich eigentlich abgeschaltet haben, was besonders verwirrend und frustrierend ist. Zusätzlich beginnen die Füße nun damit, ihre Arbeit nachts und morgens komplett einzustellen, für den Toilettengang haben wir einen Rollator beschafft damit ich unfallfrei den Weg zum Klo gehen kann. Weitere Symptome sind Antriebslosigkeit, Müdigkeit und mangelndes Konzentrationsvermögen. Beispiel: Ich lese sehr gerne und kann bei einem guten, fesselndem Buch auch schon mal den halben Tag nicht ansprechbar sein. Seit dem CIDP komme ich mit Glück mal drei Seiten weit, dann muß ich mich fragen was ich da eben eigentlich gelesen habe…
Das alles belastet mich nicht nur direkt, sondern auch mental, und das nicht zu knapp: Ich wurde “unleidlich”, aufbrausend und unzufrieden, meine Wesensveränderungen gingen so weit daß ich mich nach Psychologen und Psychotherapeuten umgesehen habe. Seit den ersten ernsteren Symptomen bin ich arbeitsunfähig.
Versuch einer chronologischen Reihenfolge:
Ende 2019: Begonnen hat das irgendwann in den Monaten nach der oben erwähnten Krebs-Op Ende 2019. Dabei wurden mir im rechten Unterschenkel Nerven durchtrennt, weshalb ich in den ersten Monaten danach die Symptome damit in Verbindung brachte, der rechte Fuß war in der Zeit größtenteils völlig gefühllos. Ein Teil der Empfindungen kehrte aber Stück für Stück wieder zurück, der rechte Außenrist und die Sohle blieben jedoch weitgehend taub. Ich nahm dann an daß dies so bleiben würde, mir wurde bei der damaligen Nachbesprechung nach der Krebs-OP gesagt daß es möglich sein kann das einige Bereiche leider taub bleiben würden.
2020 & 2021: In den folgenden Monaten fiel mir irgendwann auf daß sich im linken Fuß zeitweilig eine ähnliche Gefühllosigkeit entwickelt hat wie rechts. Diese Entwicklung setzte sich fort bis ich auf unebenen Böden anfing zu stolpern.
Juni 2022: Um diese Probleme abzuklären stellte ich mich bei einem Orthopäden vor. Der schaute sich meinen Gang an, stellte einige Fragen und erklärte mir dann daß er der falsche Ansprechpartner wäre – ich sollte mich bei einem Neurologen vorstellen weil ich ein Nervenproblem hätte. In der Neurologischen Klinik Perleberg wurde dann bei mir unter anderem die Nervenleitgeschwindigkeiten in den Beinen gemessen und festgestellt daß in beiden Füßen die Nerven ihren Geist aufgeben, damals lautete die Diagnose “Demyelinisierende und axonale Polyneuropathie”.
Da mich die Neurologische Klinik nicht ambulant behandeln konnte suchten wir dann Ärzte die sich mit dieser Krankheit auskennen – mit der Hilfe einer guten Freundin, die eine andere Spielart der Polyneuropathie hat, fanden wir auch eine Neurologin in Hamburg Altona.
September 2022: Die Neurologin stellte mich als allererstes auf den Kopf, um die Ursache der Krankheit zu finden. Die üblichen Verdächtigen sind Alkoholmißbrauch, Drogenkonsum, Diabetes, Krebserkrankung, lange Einnahme von bestimmten Medikamenten usw., allerdings lässt sich bei 40% der Betroffenen keine Ursache feststellen. Das Ergebnis vom extragroßen Blutbild, Thorax röntgen und Bauchultraschall: Kein Befund, ich gehöre wohl zu den bewussten 40%. Da die Symptome zu diesem Zeitpunkt noch relativ schwach waren verblieben wir daß ich mich regelmäßig vorstelle und der Fortschritt der Krankheit mit Messungen der Nervenleitgeschwindigkeit dokumentiert wird.
Juli 2023: Bei einer der regelmäßigen Untersuchungen bei der Neurologin stellte sich heraus daß sich der taube Bereich im rechten Fuß signifikant in Richtung Unterschenkel vergrößert hatte. Daraufhin folgte eine Nervenwasserentnahme in der Klinik in Perleberg, allerdings ergebnislos. In der Klinik entschloß man sich daraufhin zu einer Therapie mit Kortison (Methylprednisol, an zwei Tagen je 1 g), aufgrund der starken Nebenwirkungen (Bluthochdruck, Herzrasen, so hoher Zuckerwert daß mir Insulin gespritzt wurde, Schlaflosigkeit, innere Unruhe) und Wirkungslosigkeit (keine Verringerung der Symptome, weiterhin einschießende Schmerzen usw.) habe ich die Fortführung dieser Therapie abgelehnt. Bei einer weiteren Sprechstunde empfahl die Neurologin als Alternative eine IVIG-Therapie (intravenöse Immunglobulin-Ersatztherapie) mit menschlichen Antikörpern. Gegen die Dauerschmerzen wurden mir 100mg Pregabalin täglich verschrieben. Da das in der vorgeschlagenen IVIG-Therapie vorgesehene Medikament sehr teuer sein sollte stellte ich bei meinen Krankenkassen (Privatpatient…) eine Anfrage ob die Kosten der Therapie überhaupt übernommen werden würden.
August 2023: Die Symptome verstärkten sich nicht, bis auf die nächtlichen und morgendlichen Streiks der Muskeln in den Füßen konnte ich mich einigermaßen bewegen. Selbst Bogenschießen war Anfang August möglich, allerdings mit den üblichen Einschränkungen auf unebenen Untergründen. Nach diversem Hin- und Her zwischen den Krankenkassen, der Klinik und mir mit Kostenvoranschlag über mehr als 10.000 Euro konnte ich dann einen Termin am 7.9. in der Klinik machen um mit der IVIG-Therapie zu beginnen. Die Lähmungserscheinungen in den Füßen verstärkten sich in der letzten Augustwoche so sehr daß wir wie schon erwähnt einen Rollator beschafften.
September 2023: Ab 7.9. wurden mir per Tropf 200 g Privigen verabreicht, verteilt auf 5 Tage, also 40 g pro Tag. Nebenwirkungen: Nur am 4. Tag hatte ich starke Kopfschmerzen obwohl ich wie empfohlen viel getrunken habe. Mir wurde dagegen Paracetamol per Tropf gegeben, hat gut funktioniert – ansonsten keine weiteren Nebenwirkungen. Die Symptome haben sich nach der IVIG-Therapie teilweise verändert, Stand 16.9.23:
– Taubheit in den Füßen: Immer noch da.
– Gefühllosigkeit in den Füßen: Immer noch da.
– Kribbeln in Füßen und Fingern: weniger geworden.
– morgendliche Lähmungserscheinungen in den Füßen: wesentlich weniger, keine Gehhilfen mehr nötig.
– einschießende Schmerzen in Füßen (schwach ausgeprägt auch in den Händen): weniger geworden, wenn sie auftreten aber deutlich heftiger.
– Dauerschmerz in den Füßen, hauptsächlich in den Zehen: immer noch da, wird aber weiterhin vom Pregabalin wirksam unterdrückt.
Update vom 20.09.2023: Inzwischen habe ich herausgefunden daß kleinste Mengen Alkohol (egal ob Bier oder Wein) die einschießenden Schmerzen, die nach der IVIG-Therapie fast verschwunden waren, wieder hervorrufen. Seit komplettem Alkoholverzicht kommen diese Schmerzen kaum noch vor.
Update vom 11.10.2023: Weiterhin keinen Alkohol zu mir genommen. Trotzdem in den letzten Tagen wieder sich langsam steigernde Dauerschmerzen in den Füßen, aber noch nicht so stark wie vor der ersten IVIG-Therapie. Auch die einschießenden Schmerzen nehmen wieder zu. Neuen Termin für zweite IVIG-Therapie im KH Prignitz gemacht.
Update vom 23.10.2023: 2. IVIG-Therapie vom 19. bis 21.10., 100gr Privigen im Rhythmus 4-4-2. Schon am 20.10. wieder ohne Fuß-/Muskelschmerzen beim Aufstehen. Weiterhin Kompressionsgefühl. Einschießende Schmerzen geringer. In den folgenden Tagen allgemein besseres Gefühl wie nach erster Therapie. Z.B. ist ein längerer Spaziergang kein Problem. Da die Neuro-Klinik weiterhin Therapieabstände von 8-10 Wochen (anstatt 3 Wochen wie der Hersteller CSL Behring vorsieht) anstrebt habe ich bei Behring nach einem Umstieg von Privigen auf Hizentra nachgefragt. Privigen wird intravenös per Tropf gegeben, Hizentra könnte ich mir nach einer ausführlichen Einweisung subkutan selbst verabreichen.
Wichtiger Hinweis, bitte beachten: Ich beschreibe hier meine eigenen, subjektiven Erfahrungen im Umgang mit CIDP bzw. Polyneuropathie und im Umgang mit den erwähnten Firmen, Vereinen, Ärzten und medizinischen Einrichtungen. Ich habe in den letzten Monaten erfahren wie wenig über CIDP und seine Behandlungsmöglichkeiten bekannt ist und wie verschieden therapiert wird. Dieser Bericht soll andere Betroffene bei ihrem Umgang mit CIDP, Polyneuropathie oder ähnlichen Krankheiten unterstützen und anregen selbst aktiv zu werden, er soll aber keine medizinische Beratung sein!
Wurde hier fortgesetzt: Wenn einem die Nerven auf die Nerven gehen, Fortsetzung